Pressekonferenz zur 2. Nationalen Integrationskonferenz

Bern, 10.05.2011 - Im Hinblick auf die Zweite Nationale Integrationskonferenz, die am 12. Mai 2011 stattfindet, weist Bundesrätin Simonetta Sommaruga im Haus der Kantone darauf hin, dass Integrationspolitik ein Gemeinschaftswerk ist: der Schlüssel zum Erfolg liege in der engen Zusammenarbeit von Bund, Kantonen und Gemeinden und der Nutzung der vorhandenen Strukturen. Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren

Gegen 1,8 Millionen Ausländerinnen und Ausländer leben heute in der Schweiz. Das sind 22 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner unseres Landes, wie das Bundesamt für Statistik Ende April bekannt gegeben hat. Der Blick ins aktuelle Sorgenbarometer zeigt, dass die Integration dieser Menschen in unsere Gesellschaft den Schweizerinnen und Schweizern wichtig ist. Integration steht in diesem Barometer an der Spitze der Problembereiche beim Thema „Ausländerinnen und Ausländer". Sie hat andere Aspekte des Ausländerthemas in den letzten fünf Jahren schrittweise in den Hintergrund gedrängt.

Das heisst mit anderen Worten:

Die Bürgerinnen und Bürger erwarten heute von der Schweizer Ausländerpolitik vor allem eines: Antworten auf die Frage, wie sie die Integration der Ausländerinnen und Ausländer gestalten und verstärken will.

Dass es diese Erwartungen gibt, ist mir nicht erst seit meinem Amtsantritt vor einem halben Jahr bewusst. Ich habe meine Wahrnehmung für dieses Thema seither aber noch weiter geschärft - und zwar seit meinen ersten Amtstagen. Ich habe mein Amt ja mitten in der Diskussion um Ausschaffungsinitiative und Gegenentwurf angetreten - in einer Diskussion, in der ich immer wieder daran erinnert habe, dass es in der Ausländerpolitik nicht nur Missbrauchsbekämpfung, sondern eben auch Integrationsmassnahmen braucht.

Ich habe mein Amt also mit einem Effort dafür angetreten, die Integration in der Schweiz vorwärts zu bringen. Es freut mich darum ganz besonders, übermorgen in Solothurn an der Zweiten Nationalen Integrationskonferenz teilnehmen zu dürfen - gemeinsam mit allen Akteuren, die in diesem Feld einen Beitrag leisten.

Zusammen mit diesen Akteuren will ich die Weichen für die Zukunft stellen und klären, wie die Integrationspolitik weiterentwickelt werden kann.

Es gibt in der Schweiz und in anderen Ländern politische Kräfte, die Integration einzig und alleine als Aufgabe der Zugewanderten verstehen. Kräfte, die „Integration" sagen und Anpassung oder Assimilation meinen. Ihnen stehen politische Kräfte gegenüber, die unter Integration ein umfassendes staatliches Angebot verstehen, das die Zugewanderten nach Belieben nutzen oder eben auch lassen können.

Für mich ist Integrationspolitik eine Kombination von beidem. Sie gibt den Zugewanderten verbindliche Ziele vor und nimmt dabei auch die einheimische Bevölkerung in die Pflicht. Es geht also um Verbindlichkeit und Gegenseitigkeit.

Mit Verbindlichkeit meine ich, dass wir Integration nicht nur fördern, sondern auch einfordern. Und unter Gegenseitigkeit verstehe ich, dass sich sowohl Ausländerinnen und Ausländer wie auch Schweizerinnen und Schweizer dafür verantwortlich fühlen, dass die Integration gelingt und wir weiterhin friedlich zusammen leben können.

Wer ist nun aber zuständig für eine solche Integrationspolitik?

Der Bund regelt mit seinen Gesetzen die Ein- und Ausreise sowie die Gewährung von Asyl, den Aufenthalt und die Niederlassung. Das Ausländergesetz des Bundes formuliert die Ziele der schweizerischen Integrationspolitik und die Prinzipien der Integrationsförderung.

Der Bund prüft derzeit in enger Zusammenarbeit mit den Kantonen und Gemeinden, wie wir die eben geschilderte Verbindlichkeit und die Gegenseitigkeit noch stärker in die Gesetzgebung aufnehmen können. Die Arbeiten dazu sind weit fortgeschritten. Noch in diesem Jahr werde ich einen Vorschlag zur Revision des heutigen Integrationskapitels im Ausländergesetz in den Bundesrat tragen.

Integriert ist, wer sich in einer Landessprache ausdrücken kann, wer unser politisches System versteht und unsere Institutionen kennt. Wer auf diese Weise integriert ist, findet sich besser zurecht und kann am gesellschaftlichen, am kulturellen oder am sportlichen Leben teilnehmen und sich mit der einheimischen Bevölkerung austauschen. Er kann sich einbringen und trägt zum Funktionieren unserer Gesellschaft bei. Die Gesellschaft hat deshalb ein Interesse daran, die Integration mit geeigneten Massnahmen zu fordern und zu fördern.

Integrationspolitik ist also ein notwendiger Teil einer umfassenden Gesellschaftspolitik. Denn Integration braucht es in allen Lebensbereichen. Sie ist nötig, damit Wöchnerinnen und Neugeborene gesund blieben. Sie ist nötig, damit Kinder in der Krippe und in der Schule etwas lernen. Sie ist nötig, damit Lehre und Studium zum Ziel führen. Und sie ist nötig, damit die Arbeitswelt, unsere Wirtschaft funktioniert.

Integration braucht es in allen Lebensbereichen, auf dem ganzen Lebensweg: Damit in der Wohnsiedlung das Zusammenleben klappt, im Sportverein das Zusammenspiel. Auch im Altersheim und auf dem Friedhof braucht es Antworten einer umfassenden Integrationspolitik.

Kurz: Integration muss überall dort stattfinden, wo Zugewanderte und Einheimische einander begegnen. Die Fachleute nennen diese Orte - also die Schule, das Altersheim, den Sportverein und so weiter - Regelstrukturen.

Alle Bemühungen von Ämtern und Institutionen zur Integration sind auf diese Regelstrukturen ausgerichtet. Dort wird Integration gefordert und gefördert. Neue Strukturen sollen nicht geschaffen werden.

Der Bundesrat hat 2007 ein Paket mit 45 Massnahmen geschnürt, damit die verschiedenen Stellen des Bundes die Bewohnerinnen und Bewohner dieses Landes noch besser erreichen können.

In unserem föderalistisch organisierten Land hat der Bund aber natürlich auch in der Integration nur beschränkten Einfluss. Viele der Orte auf dem „Weg durchs Leben", den ich skizziert habe, fallen nicht in die Zuständigkeit des Bundes, sondern in die der Kantone und Gemeinden oder in den nicht-staatlichen Bereich.

Integrationspolitik ist also ein Gemeinschaftswerk. Der Bund gestaltet sie gemeinsam mit seinen Partnern. Mit den Kantonen, die mit den Städten und Gemeinden in der Schule, im Gesundheitswesen, bei der Fürsorge, der Religion oder auch bei der Sicherheit die Hauptverantwortung tragen.

Bund, Kantone und Gemeinden arbeiten in der Tripartiten Agglomerationskonferenz eng zusammen, auch bei der Gestaltung der Ausländer- und Integrationspolitik. Diese Zusammenarbeit ist äusserst wertvoll.

So haben wir 2009 die Probleme, Chancen und Herausforderungen in der Integrationspolitik im Rahmen dieser TAK gemeinsam analysieren können. Was der Bund heute in der Integrationspolitik vor hat, basiert auf den Resultaten dieser Analyse. Sie zeigte zum Beispiel, dass es keinen Sinn macht, für die Integrationsarbeit neuen Strukturen zu schaffen. Vielmehr soll jede amtliche Stelle dort einen Beitrag zur Integration leistet, wo sie ohnehin tätig ist. Diesen Ansatz wird mein Departement bei seiner Arbeit an neuen gesetzlichen Grundlagen konsequent verfolgen.

Wir müssen gleichzeitig aber auch dafür sorgen, dass einzelne Akteure nicht isoliert handeln, sondern ihre Arbeit aufeinander abstimmen. Das geht nur in enger Zusammenarbeit, im Verbund aller massgebenden Kräfte. Hier liegt der Schlüssel zu einer erfolgreichen Integrationspolitik.

Nehmen wir das Beispiel der Sprachförderung:

Wir erwarten von Ausländerinnen und Ausländern, dass sie sich in einer Landessprache verständigen können. Damit ein brauchbares Angebot zustande kommt, braucht es die Zusammenarbeit von Bund, Kantonen, Städten, Gemeinden und Privaten.

Der Bund selbst bietet keine Sprachkurse an, das ist nicht seine Aufgabe. Hingegen stellt er Gelder für die Sprachförderung zur Verfügung und setzt Standards für Anbieter, Lerninhalte und Testverfahren. Die Kantone ihrerseits sorgen mit den Städten und Gemeinden dafür, dass Sprachkurse an Orten und zu Zeiten angeboten werden, wo sie dann auch genutzt werden. Städte und Gemeinden stehen im direkten Kontakt mit der Bevölkerung und können so dafür sorgen, dass das Zielpublikum den Weg in die Kurse findet: Sie informieren und beraten die Zugewanderten. Die Kurse selbst wiederum werden von privaten Instituten und Institutionen durchgeführt.

Diese Zusammenarbeit, diesen Verbund braucht es nicht nur bei den Sprachkursen, sondern bei allen Integrationsbemühungen.

Übermorgen habe ich in Solothurn Gelegenheit, mit Vertreterinnen und Vertretern aller Ebenen unseres Staates darüber zu sprechen, wie wir unsere Zusammenarbeit noch weiter stärken können. Darauf freue ich mich.

Ich freue mich aber auch, dass in Solothurn zahlreiche engagierte Menschen aus nicht-staatlichen Organisationen mit uns Regierungs- und Behördenvertreterinnen diskutieren und nach gemeinsamen Lösungen suchen.

Diese Zweite Integrationskonferenz wird den Verbund der staatlichen und nicht-staatlichen Kräfte festigen. Das ist eine Voraussetzung dafür, dass die vier Prinzipien, die Sie hinter mir sehen, gelebte Realität werden.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


Adresse für Rückfragen

Kommunikationsdienst EJPD, T +41 58 462 18 18


Herausgeber

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement
http://www.ejpd.admin.ch

Letzte Änderung 19.01.2023

Zum Seitenanfang

https://www.sem.admin.ch/content/ejpd/de/home/das-ejpd/fruehere_dv/simonetta-sommaruga/reden.msg-id-91247.html