Clara*: die „wahre“ Geliebte
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1) Clara* ist 19 Jahre alt. Sie lebt in Rumänien, in bescheidenen Verhältnissen. Eines Tages lässt sie sich von ihrem Freund überreden, sich in der Schweiz zu prostituieren: Sie wird jeden Tag 1000 Franken verdienen, in Rumänien später ein Haus kaufen und mit ihrem Freund eine Familie gründen. So der Plan. "Du wirst jeden Tag 1000 Franken verdienen. Später könntest du ein Haus kaufen und mit mir eine Familie gründen." |
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2) In Lugano wird Clara von Nora* empfangen. Sie vermittelt Clara Klienten, stellt Regeln auf und gibt den Rhythmus der Arbeit vor. Clara übergibt ihr das verdiente Geld, im Glauben, Nora bringe es auf eine Bank. In Tat und Wahrheit behält Nora das Geld für sich. Eines Tage offenbart sich Nora als die „wahre“ Freundin von Claras rumänischem Freund. |
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3) Das Paar kontrolliert Clara nun physisch und psychisch. Doch die junge Frau gibt nicht auf. Es gelingt ihr, zu flüchten und in der Schweiz und Rumänien Anzeige zu erstatten. Mit Hilfe einer NGO reist sie nach Rumänien zurück und erhält dort professionelle Unterstützung. |
4) fedpol koordiniert die Ermittlungen mit den rumänischen Behörden. Die „Loverboy-Taktik“ ist nur eine der perfiden Methoden, mit denen Menschenhändler junge Frauen sexuell und materiell ausbeuten. * Namen geändert |
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Sumalee*: sexuell versklavt
Sumalee* ist 26 Jahre alt, als sie ihr Dorf im Norden Thailands verlässt, um in Bangkok Arbeit zu suchen. Wie viele andere junge Frauen, die wenig berufliche Möglichkeiten haben, beschliesst Sumalee, sich zu prostituieren.
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1) Eines Tages hört Sumalee von einer Frau, die ihr eine Reise in die Schweiz inklusive Arbeitsbewilligung organisieren könne. Sumalee meldet sich bei ihr. In der Schweiz, meint die Frau, könne Sumalee unter besseren Arbeitsbedingungen in einem „Etablissement“ arbeiten."Du könntest in der Schweiz unter besseren Arbeitsbedingungen in einem 'Etablissement' arbeiten." |
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2) In der Schweiz angekommen, wird Sumalee rund um die Uhr überwacht, sexuell versklavt und zudem gezwungen, eine Schuld von 30 000 Franken abzuarbeiten. Wobei nur die Hälfte ihres Verdiensts zählt – die anderen 50 Prozent muss sie dem Besitzer des Bordells abliefern. |
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3) Während Sumalee keine andere Wahl hat, als zu parieren, wendet sich allmählich das Blatt: Kantonspolizei und fedpol beginnen, gegen das kriminelle Netzwerk zu ermitteln, in das Sumalee und 80 weitere Frauen und Transsexuelle geraten. | |
4) Die Opfer wurden in sechs Kantone verschleppt: Die Verantwortlichen der jeweiligen Kantonspolizei verfolgen im Rahmen einer gross angelegten Ermittlung verschiedene Spuren. fedpol koordiniert sie und so gelingt es, in enger Zusammenarbeit mit dem Schweizer Verbindungsbeamten in Thailand, INTERPOL und den lokalen thailändischen Behörden, das Netzwerk aufzudecken. |
null (JPG, 224 kB, 22.06.2020) Screenshot BZ |
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5) Die Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ) in Zürich ist an diesem Erfolg wesentlich beteiligt. Dank ihr und anderen NGOs fühlen sich 20 der 80 identifizierten Opfer genügend geschützt, um den Ermittlern zu erzählen, was sie erlitten haben. Ihre Aussagen ermöglichen es, die Drahtzieherin in Bangkok ausfindig zu machen. Ergebnis der Arbeit der NGOs: |
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6) Als die Täterin 2014 am Flughafen Zürich ankommt, wird sie verhaftet. Mitte Juli 2018 wurde sie vom Regionalgericht Berner Jura-Seeleand zu 10,5 Jahren Haft verurteilt. Sumalee wurde vom FIZ an einem sicheren Ort untergebracht. * Name geändert |
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Letzte Änderung 08.06.2020