Interview, 26. Februar 2021: 20 Minuten; Daniel Waldmeier
20 Minuten: "Karin Keller-Sutter sagt, eine liberale Gesellschaft müsse 20 bis 30 Nikab-Trägerinnen aushalten. Der Zwang zur Verhüllung sei bereits strafbar."
Frau Bundesrätin, alle grösseren Parteien mit Ausnahme der SVP sind gegen die Burka-Initiative. Trotzdem wirds laut Umfragen eng. Warum?
Mit dieser Initiative wird wie schon bei der Minarettinitiative eine unterschwellige Angst vor dem Islam als Religion angesprochen. Wir führen eine Art Stellvertreterdiskussion: Die Initiative ist kein taugliches Instrument gegen Extremismus. Diesen gibts natürlich auch in der Schweiz. Dafür gibt es aber andere Mittel: den Nachrichtendienst, die Polizei, das Strafrecht.
Laut den Initianten sind Burka oder Nikab die Flagge des politischen Islam, ein Symbol der radikalen Ideologie. Geht es nicht ums Prinzip?
Nikab-Trägerinnen habe ich in der Schweiz höchstens in den teuren Einkaufsstrassen gesehen. Es handelt sich vor allem um Touristinnen aus den Golfstaaten. Wir stimmen jedoch über die Schweizer Bundesverfassung ab. Wir ändern weder ein Gesetz noch die Verfassung in Afghanistan, dem Iran oder sonst wo in der islamischen Welt.
Die Feministin Alice Schwarzer hat in einem Schweizer Hotel eine vollverschleierte Touristin beim Versuch beobachtet, Kaffee zu trinken. Es sei ein tragisches Bild gewesen. Und weiter: Diese Frau würde sich freuen, müsste sie in der Schweiz den Schleier ablegen.
Ich glaube nicht, dass es die Aufgabe des Schweizer Staates ist, Touristinnen vermeintlich vom Nikab zu befreien.
Die Schweiz könnte aber ein Zeichen der Solidarität gegen die Unterdrückung der Frau aussenden.
Wir überschätzen uns, wenn wir denken, dass ein Verbot der Gesichtsverhüllung in der Schweiz die Situation der Frauen in gewissen Ländern verbessern würde. Über die Aussenpolitik versucht die Schweiz, die Menschen- und Frauenrechte in diesen Staaten zu stärken. In einer liberalen Gesellschaftsordnung muss man es aushalten, wenn 20 bis 30 Frauen freiwillig einen Nikab tragen. Sonst müsste man vieles verbieten: Es gibt zum Beispiel Männer, die zum Islam konvertieren und sich einen Bart wachsen lassen.
Was ist, wenn eine Frau in der Schweiz in die Burka gezwungen wird?
Wenn eine Frau zur Verhüllung gezwungen wird, ist das Nötigung und heute schon strafbar.
Angenommen, es gäbe ein Ja: Werden wieder Schweizer Fahnen brennen in der arabischen Welt wie nach dem Minarettverbot?
Ich rechne nicht mit solchen Reaktionen. Anders als damals gehts jetzt nicht um Sakralbauten, die eine religiöse Bedeutung haben. Die Burka hingegen ist keine Pflicht im Islam.
Weitere Infos
Dossier
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Volksinitiative "Ja zum Verhüllungsverbot"
Die Schweiz wird die Gesichtsverhüllung im öffentlichen Raum verbieten. Am Sonntag, 7. März 2021, hat die Bevölkerung die Initiative «Ja zum Verhüllungsverbot» angenommen. Die Stimmbevölkerung will, dass man einander mit offenem Gesicht begegnet.
Medienmitteilungen
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Reden
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Interviews
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"Abstimmungs-Arena" zum VerhüllungsverbotInterview, 26. Februar 2021: SRF1, Arena
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Was ist, wenn eine Frau in die Burka gezwungen wird?Interview, 26. Februar 2021: 20 Minuten
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TalkTäglich: Verhüllungsverbot und E-ID-GesetzInterview, 25. Februar 2021: TeleZüri, TeleBärn, Tele M1, TalkTäglich
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Bundesrätin Karin Keller-Sutter zu Gast in der Sendung La MatinaleInterview, 2. Februar 2021: RTS1, La Matinale
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"La priorité, c’est la lutte contre la violence domestique"Interview, 31. Januar 2021: Le Matin Dimanche; Ariane Dayer und Lise Bailat
Letzte Änderung 26.02.2021