Das Lugano-Übereinkommen 2007

Anwendungsbereich

Das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Lugano-Übereinkommen, LugÜ; SR 0.275.12) ist am 30. Oktober 2007 in Lugano geschlossen worden. Unterzeichner sind die Schweizerische Eidgenossenschaft, die Europäische Gemeinschaft, das Königreich Dänemark, das Königreich Norwegen und die Republik Island. Es handelt sich um das Nachfolgeabkommen zum Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16. September 1988 (SR 0.275.11), weshalb oft auch vom revidierten Lugano-Übereinkommen die Rede ist. Gleichzeitig stellt es das Parallel-Abkommen zur Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO; Brüssel I-Verordnung) dar, ihrerseits am 10. Januar 2015 durch die Verordnung (EU) 1215/2012 ersetzt.

Während das Lugano-Übereinkommen 2007 für die Europäische Union, Dänemark und Norwegen am 1. Januar 2010 in Kraft getreten ist, gilt es für die Schweiz seit dem 1. Januar 2011. Für Island ist es am 1. Mai 2011 in Kraft getreten. Für Staaten, die nach Abschluss des Lugano-Übereinkommens der Europäischen Union beitreten, gilt das Übereinkommen automatisch ab ihrem EU-Beitrittsdatum.

Materialien und Rechtsprechung

Den offiziellen erläuternden Bericht zum Lugano-Übereinkommen 2007 hat Prof. Fausto Pocar verfasst. Gemäss Art. 3 Abs. 3 des Protokolls Nr. 2 zum Lugano-Übereinkommen 2007 richtet die Europäische Kommission ein System für den Austausch von Informationen über die Entscheidungen ein, die in Anwendung der beiden Lugano-Übereinkommen von 1988 und 2007 (sowie der in Art. 64 genannten Rechtsinstrumente) ergangen sind (zurzeit im Aufbau; bisher war der EuGH dafür zuständig).

Ständiger Ausschuss und Sachverständigenrat

Gemäss Artikel 4 des Protokolls Nr. 2 zum Lugano-Übereinkommen 2007 gibt es einen aus Vertretern der Vertragsparteien bestehenden "Ständigen Ausschuss", der im Bedarfsfall einberufen wird. Dessen Aufgaben bestehen u.a. in der Konsultation über eine Revision des Übereinkommens sowie der Aktualisierung der Anhänge (z.B. anlässlich der Erstreckung des Anwendungsbereichs auf neue EU-Mitgliedstaaten) und der Aufnahme neuer Sprachfassungen.

An seiner ersten Sitzung (3. Mai 2011) hat der Ständige Ausschuss erklärt, den Weg eines Protokolls im Bereich des Unterhaltsrechts vorerst nicht weiterzuverfolgen, da zur Bereinigung möglicher Inkohärenzen seit dem Inkrafttreten des LugÜ im Bedarfsfall dessen ordentliche Revisionsmechanismen benützt werden könnten (in der Botschaft vom 18. Februar 2009 zum revidierten Lugano-Übereinkommen erwog der Bundesrat, zur Vermeidung gewisser Inkohärenzen (insbesondere in den Bereichen Gerichtsstandsvereinbarungen und Rechtshängigkeit) zwischen der Unterhaltsverordnung (EG) 4/2009 und dem LugÜ ein Zusatzprotokoll über das Verhältnis zwischen diesen beiden Instrumenten anzustreben; BBl 2009 1777, 1797-1798).

Anlässlich seiner zweiten Sitzung (25. September 2013) beriet der Ständige LugÜ-Ausschuss die mögliche Anpassung des revidierten Lugano-Übereinkommens (LugÜ) an die Neufassung der Brüssel-I-Verordnung (1215/2012). Der Ständige Ausschuss hat zur Frage der möglichen Anpassung des Lugano-Übereinkommens keine Empfehlung abgegeben und keine weiteren Schritte beschlossen. Zudem wurde diskutiert, ob im Zusammenhang mit der geplanten Einführung des "Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung" sowie des "Einheitlichen Patentgerichts" eine Anpassung des Lugano-Übereinkommens notwendig sei. Diesbezüglich hat der Ständige Ausschuss entschieden, weitere Abklärungen betreffend die Notwendigkeit einer Anpassung abzuwarten und die Frage im Bedarfsfall wieder aufzugreifen.

Art. 5 des Protokolls Nr. 2 zum Lugano-Übereinkommen 2007 sieht zudem einen "Sachverständigenrat" (Expertentreffen) vor, um einen Meinungsaustausch über die Entwicklung der Rechtsprechung zu ermöglichen (siehe die "Berichte zur nationalen Rechtsprechung"). Auch neue Rechtsvorschriften, die die Anwendung des Übereinkommens beeinflussen, können in diesem Rahmen diskutiert werden. Diese Treffen auf Expertenebene finden in unregelmässigen Abständen statt, i. d. R. alle 1 - 2 Jahre.

Letzte Änderung 20.11.2023

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